Rudolphs Heimat oder wo die Rentiere wohnen – Finnmarks Weiten und Sami-Tradition

Jetzt, wo der erste Advent naht, denkt man ja wieder unweigerlich an Rentiere. Zeit also sich die pelzigen Kerlchen und ihre norwegische Heimat einmal näher anzuschauen. Bevorzugt ziehen sie ja in Herden durch die norwegische Landschaft und das wiederum tun sie gerne in der Provinz Finnmark. Schließlich leben da auch diejenigen, die traditionell immer von der Rentierhaltung gelebt haben und teilweise immer noch leben: die Sami.

Copyright: Anne Olsen-Ryum / www.nordnorge.com / Hasvik

Copyright: Anne Olsen-Ryum / http://www.nordnorge.com / Hasvik

Wir starten in der Finnmarksvidda. Immerhin macht die Hochebene gut ein Drittel der gesamten Provinz aus und weil sie so kontinental liegt, gibt es hier auch gleich die kältesten Wintertemperaturen in ganz Norwegen. Die tiefste je gemessene Temperatur von -51, 4 Grad Celsius ist schon lange her, und im Vergleich dazu sind die heutigen Winter mit durchschnittlich -17 Grad mollig warm. Ja, der norwegische Norden ist nichts für Weicheier. Aber für Rentiere. Sie ziehen denn auch gemächlich durch die Weite der Finnmarksvidda, weitgehend ungestört von den Sami, die lediglich die schlachtreifen Tiere aussortieren und die Herden vor Raubtieren schützen. Jagd ist schon lange passé, man co-existiert in nomadischer Landwirtschaft. Ja, und weil Rentiere eben ziehen wie sie wollen – also auf den natürlichen Wanderrouten – steht man gelegentlich auch mit dem Auto auf der Straße oder im Tunnel und lernt Geduld zu üben wenn eine Rentierherde gemütlich ihres Weges zieht.

Copyright: Trym Ivar Bergsmo / www.nordnorge.com / Hammerfest, Nordkapp

Copyright: Trym Ivar Bergsmo / http://www.nordnorge.com / Hammerfest, Nordkapp

Und wenn man so da sitzt und die Tiere vorbei ziehen sieht, fällt einem unweigerlich auf, dass alle ein Geweih auf dem Kopf tragen. Ja, das ist die Besonderheit an ihnen. Sie sind die einzigen Hirschtiere, bei denen auch die weiblichen Tiere mit stattlichem Kopfschmuck ausgestattet sind. Den brauchen sie auch, wenn der Rentier-Herzbube der Herzdame im Winter mit den Hufen die Flechten ausgräbt und ein Konkurrent die Leckerei streitig machen will. Die Natur-Speisekarte für Rentiere ist im Winter ohnehin schon spärlich bestückt. Man frisst sich mehr im Sommer satt, wenn die Wiesen saftig sind und legt sich ordentlich Winterspeck zu. Rentier-Schönheitsideal. 😉

Zum Mißfallen der Rentiere landen selbige gerne bei den Sami auf dem Teller. Ja, und auch ich muss zugeben, dass Rentier-Geschnetzeltes mit Kartoffeln, Rosenkohl und frischer Preiselbeermarmelade etwas für sich hat.

Copyright: Ørjan Bertelsen / www.nordnorge.com / Tana

Copyright: Ørjan Bertelsen / http://www.nordnorge.com / Tana

Und wenn man schon in der Provinz Finnmark unterwegs ist, sollte man unbedingt in Kautekeino vorbei schauen. Denn erstens gibt es hier noch reichlich samische Tradition und wer will, kann im Lavvu, dem samischen Zelt übernachten. In punkto Platzangebot, Ofentauglichkeit und Geselligkeit kann da so ziemlich nichts mithalten. Kalt war gestern. Auch wenn das Feuer das Zelt gut einheizt, hüllt man sich aber selbstverständlich in Rentierfelle – was auch sonst. Die halten zusätzlich lecker warm. Bekommt man dann noch zusätzlich „bidus“ ist man im Sami-Suppenhimmel, zubereitet aus Fleisch, Kartoffeln und Karotten. Köstlich! Auf keiner samischen Hochzeit darf die Suppe fehlen.

Copyright: Magnus Ström / www.nordnorge.com / Sortland

Copyright: Magnus Ström / http://www.nordnorge.com / Sortland

In Kautokeino – wo übrigens eindeutig mehr Rentiere als Menschen leben – konzentriert sich auch alles, was mit Ausbildung und Forschung in Bezug auf die Sami zu tun hat, die Samische Hochschule und das Nordisch-Samische Institut zum Beispiel. Vielleicht liegt deshalb über der Kommune auch so ein Hauch von nordischer Exotik. Man ist eben quasi ein bißchen außerhalb von Norwegen, auch wenn man sich natürlich de facto in Norwegen befindet. Aber das Gebiet hat den Zauber alter Tradition und Ureinwohner-Atmosphäre.

Ihre traditionelle Kleidung tragen die Sami fast nur noch bei Festlichkeiten, früher rundum aus Leder hergestellt, heute aus gewalktem Wollstoff, der in den meisten Gegenden blau leuchtet. Natürlich können die Sami an der Gestaltung die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gegend ablesen. Da ich das nicht kann, erfreue ich mich an den zauberhaft bunten Farben, Bändern, Tüchern und den typischen Schuhen mit hochgezogener Spitze. Natürlich haben die Farben ebenfalls eine Symbolik. Blau steht für den Himmel, gelb für die Sonne, rot für das Feuer und grün für die Erde. Eingängig nachvollziehbar und auch in der samischen Flagge farblich verankert.

Fazit: wer die Gelegenheit hat im äußersten Norden des Landes vorbei zu schauen bekommt eine üppige Portion Natur, Tradition und Besonderheit. Oh, und Nordlichter gibt es auch. Ausprobieren! 🙂