Auf dem Weg zur Mitternachtssonne oder wo Europa endet

Ja das Nordkapp, da wo man vom nördlichen Rand Europas zu fallen scheint und wo die Sonne in den Sommermonaten nicht untergeht. Aber halt, stopp, noch sind wir nicht dort. Die Reise beginnt vielmehr vierzehn Tage früher, in Bergen. Und auch wenn man auf den Hurtigruten nicht von wirklichem Individualtourismus sprechen kann, packen sie doch einen bunten Reigen der schönsten Ziele Norwegens in die Reiseroute. Und dass das Hotel mitfährt ist ja auch nicht so ganz unpraktisch. Allerdings muss ich zugeben, dass Anfang der 90er Jahre, als ich zum ersten mal auf die Hurtigruten stieß, der Abenteuergedanke noch präsenter war. Postschiff und so. Die Post fährt zwar auch heute noch mit, aber die damals wenig komfortablen Kabinen sind dem Kreuzfahrtfeeling gewichen. Anyway: gestartet wird immer noch in Bergen.

Bergen, Provinz Hordaland

Bergen, Provinz Hordaland

Bergen an sich ist ja schon immer eine Reise wert, ich empfehle ja immer mindestens einen Tag früher anzureisen als man sich einschifft, damit man nicht gleich mit Frust in die Reise startet, weil man das zauberhafte Städtchen aus Zeitmangel auslassen muss. Abends tutet das Schiffchen sich dann seinen Weg in Richtung Nordkapp frei, man darf auch Titanic-like den Schaulustigen am Kai zuwinken. Schippert man dann endlich an der Westküste Norwegens entlang kommt man eigentlich gar nicht mehr ins Bett vor lauter Sonnenuntergängen und norwegischer Natur. Bis man den Polarkreis passiert geht sie ja immerhin noch für ein paar Stunden unter.

Sonnenuntergang auf dem Weg zum Nordkapp

Sonnenuntergang auf dem Weg zum Nordkapp

Gut 400 km nördlich von Bergen und nach etlichen Zwischenstationen folgt Ålesund. Das Vergnügen der „blauen Stunde“ hat man zwar im Sommer nicht, aber man kann eben nicht alles haben. An der Architektur im Jugendstil und dem norwegischen Flair darf man sich aber auch in den Sommermonaten erfreuen. Und da der Geirangerfjord so herrlich nah liegt und es sowieso der bekannteste Fjord Norwegens ist, macht auch so ziemlich jedes Schiff den kleinen Schlenker. Das „Festival der Kreuzfahrtschiffe“ tut aber der Schönheit des Fjords keinen Abbruch. Wasserfälle, Berghänge, die sich über dem Fjord auftun, Norwegen @ its best.

Geirangerfjord

Geirangerfjord

Ab jetzt geht es mit strammen Schritten auf den Polarkreis zu. Nach Trondheim, Rørvik, Brønnøysund und Nesna kommt er dann. 66° 33′ 55″! Ab jetzt geht die Sonne nicht mehr unter und an Schlaf ist eh nicht mehr zu denken, nicht nur weil es um Mitternacht immer noch taghell ist. Die Mitternachtssonne übt eben eine besondere Faszination aus und man kann sich von dem Naturschauspiel eigentlich gar nicht abwenden. Spätestens hier ärgert sich wer zu wenig Speicherkarten für die Kamera eingepackt hat.

Mitternacht

Mitternacht

Bevor man aber den nördlichen Rand Europas sieht, erreicht man erst noch eines der schönsten Fleckchen Norwegens, die Lofoten. Auch wenn sich Lofoten so herrlich nach Mehrzahl anhört, ist es doch Singular, obwohl es sich um nicht weniger als achtzig Inseln handelt. Allein hier könnte man Sommer wie Winter Wochen verbringen, aber auf der Reise zum Nordkapp darf man wenigstens mal dran schnuppern.

Lofoten

Lofoten

Inzwischen befinden wir uns 1.500km nördlich von Bergen und es geht noch weiter. Jetzt folgt die zerklüftete Westküste von Nordnorwegen bis nach Tromsø. Nach vielen Städten mit einer Einwohnereinzahl, die man praktisch an zwei Händen abzählen kann, bekommt man in der größten Stadt von Nordnorwegen sozusagen Metropolen-Feeling. Dass man sich bereits gut 300km nördlich des Polarkreises befindet, merkt man der Stadt dann auch an, inklusive, dass es auch im Sommer manchmal ordentlich kalt sein kann. Der Polarforschungsinteressierte kann sich hier so richtig austoben. Nebenbei steht hier auch die nördlichste Kathedrale des Landes.

Arctic Cathedral, Copyright: CH - Visitnorway.com

Arctic Cathedral Tromsø, Copyright: CH – Visitnorway.com

Und dann, noch einmal gut 500km weiter nördlich und mittlerweile mehr als 2.300km nördlich von Bergen strahlt sie einen an – die Mitternachtssonne am Nordkapp. Im Grunde ist es gar nicht wirklich der nördlichste Punkt Europas, aber man ist schonmal ganz nah dran. Allerdings: das Schieferplateau mit der bekannten Weltkugel eignet sich eben besonders als Aussichtspunkt. Und dem Zauber der am Himmel stehenden Sonne kann sich dann auch kaum einer entziehen. Besonders wenn sie sich ihren Weg durch die Wolken bahnt – atemberaubend. Und irgendwo da hinter ihr befindet sich der Nordpol, ja da fühlt man sich als Besucher ganz schnell ganz unbedeutend umgeben von Naturgewalten.

Nordkapp

Nordkapp

Alles in allem. Die Zeit ist günstig. Deshalb schnell Koffer packen und 2.500km Norwegen in sich aufsaugen. Aber Vorsicht: Ansteckung mit dem Norwegen-Virus garantiert! 😉