Schön, dass wir nicht drüber gesprochen haben!

Ja, dieser Satz gehört, so könnte man sagen, zur Grundausrüstung der Auftragsbeschaffung in der norwegischen Arbeitswelt. Wie bitte?

Nun ja, ich habe ja schon wirklich in vielen Theatern gearbeitet und der Satz „Rufen Sie uns nicht an, wir rufen SIE an“ ist mir durchaus geläufig. Aber dass das in Norwegen quasi zum Tagesgeschäft gehört, lässt mich doch ein wenig schmunzeln. Der Norweger an sich ist ja ein eher zurückhaltender Zeitgenosse und setzt das auch im Job konsequent um. Zumindest bei Entscheidungsfindungen. Man lässt sich Zeit damit und im Idealfall meldet man sich einfach nicht mehr. Das hat keinesfalls mit Unhöflichkeit zu tun, sondern vielmehr mit liebenswerter Fürsorge für denjenigen, dem man eine Auftragsabsage erteilen will. Indirekt und ohne unangenehme Konversation sozusagen.

Ja und sonst im Arbeitsleben? Der Deutsche klammert sich ja gerne an Hierarchien. Direkt mit dem Chef sprechen ist am besten, da gelangt man am schnellsten an den Auftrag. Norwegische Unternehmen ticken da aber komplett anders. Offensichtliche Hierarchien? Fehlanzeige. Businesskleidung und Schlipsträgertum? Fehlanzeige. Letzteres kommt meiner Künstlermentalität sehr entgegen. Und gnadenlos geduzt wird natürlich auch in der norwegischen Businesswelt. Für den Deutschen manchmal irritierend. In norwegischen Unternehmen gibt es allerdings sehr wohl eine Hierachie, nur wird sie nicht so offen zur Schau getragen wie in vielen anderen Ländern. Und wer meint, dass der Deutsche ja gemeinhin vom Ruf der Pünktlichkeit zehrt, der hat bislang an keiner norwegischen Konferenz teil genommen. Man wartet hier stets fünf Minuten VOR der Zeit, dass das Meeting endlich beginnt. Das impliziert vielleicht bei manchem Zeitgenossen den Eindruck, dass der Norweger im Job sehr unentspannt ist. Weit gefehlt. Der Norweger macht sich im Job locker und neigt im Privatleben zu Verklemmungen. Aber das ist eine ganz eigene Geschichte.

Faszinierend an dieser Lockerheit im Job ist aber, dass man durchaus den ein oder anderen Mitarbeiter mal nicht an seinem Arbeitsplatz antrifft, weil er zum Zahnarzt muss oder die Kinder vom Kindergarten abholt. Einfach so. Während der Arbeitszeit. Dafür scheut er sich aber nicht das ein oder andere für den Job nach Büroschluss von zu Hause zu erledigen. Sozusagen als Symbiose gegenseitiger Fürsorge.

Und noch eine Besonderheit gibt es in der norwegischen Businesswelt. Vielmehr bei deren Kundschaft. Der Norweger lebt seinen Patriotismus auch im Kaufverhalten aus. Produkte oder Dienstleistungen aus dem Ausland? Nein Danke! Lieber ein Anbieter vor der Haustür, denn da kann man die Referenzen nachprüfen. Ausnahmen werden gemacht bei Dienstleistungen und Produkten, die sonst in Norwegen nicht zu finden sind. Es gibt also Hoffnung! 😉