Oppland oder wo der Herbst 1.000 Farben hat

Ja, der Herbst. Er ist da. Unmissverständlich. Zeit sich von Oslo aus auf zu machen in die Provinz Oppland. Denn da hat er bereits im September sein buntes Kleid angelegt. Und WIE bunt. Acht Uhr: Abfahrt. Mit dem Auto geht es 200km Richtung Norden. Bereits die Fahrt ist ein optisches Fest. Kaum aus Oslo raus beginnt der Mjøsa-See, mit 117km der längste See Norwegens. An ihm werden wir nahezu die gesamte Strecke entlang fahren.

Mjøsa-See, Copyright: insidenorway

Mjøsa-See, Copyright: insidenorway

Und in der kühlen Morgenluft liegt er besonders schön da. Das Wasser ist aalglatt und hat bereits eine winterliche tiefblaue Farbe. Nein, ich möchte zu diesem Zeitpunkt kein Bad ausprobieren.  Halt machen könnte man allerdings alle paar Meter um die Kamera zu zücken und die bezaubernde Stimmung einzufangen. Haltebuchten sind an der Strecke allerdings nur spärlich verteilt. Am Ende des Sees liegt Lillehammer, in den Berg geschmust, über der Stadt die Sprungschanzen der olympischen Winterspiele 1994. Und wenn man schon mal da ist, sollte man gleich auf einen Sprung nach Lillehammer hinein fahren. Die Innenstadt ist klein aber fein und die Olympia-Anlage lohnt ebenfalls einen Abstecher. Nun ja, vielleicht nicht ganz so imposant wie der Holmenkollen in Oslo, aber dafür schwebt der olympische Geist noch irgendwie über dem Gelände.

Lillehammer, Copyright: insidenorway

Lillehammer, Copyright: insidenorway

Aber wir wollen ja weiter. Unmittelbar nördlich von Lillehammer beginnen die zarten Ausläufer des Jotunheimen-Gebirges. Der Peer Gynt vegen erscheint uns als Route genau richtig, ein Rundweg von gut 80km und man kann nach Herzenslust aus dem Auto aussteigen um die Natur zu genießen. Und die meint es zunächst nicht gut mit uns. Auf einer Schotterpiste geht es hoch in die Berge, der Nebel hängt teilweise auf Augenhöhe und entgegen der frühherbstlichen 15 Grad in Lillehammer sind hier oben gerade mal 3 Grad drin. Brrrrrrrrrr. Aber was macht das schon, wenn sich plötzlich der Nebel lichtet und sich ein Teppich von Herbstfarben ausbreitet. Nach einer halben Stunde können wir schon nicht mehr zählen wie oft wir angehalten haben. Und die 80kr, die man zahlt, um den Peer Gynt vegen zu passieren, bekommt man hundertfach von der großartigen Natur zurück. Wasserfälle, Seen, Gräser und viele kleine norwegische Berghütten zaubern einem Herzchen in die Augen. Ja vi elsker dette Landet!

Peer Gynt vegen, Copyright: insidenorway

Peer Gynt vegen, Copyright: insidenorway

Und dazu die Farben! Überall leuchtet es in Orange- und Brauntönen, das Wasser der Seen ist glatt wie ein Spiegel, nichts scheint die Natur hier stören zu können. Ein Elch wäre jetzt noch angebracht. Aber die Kameraden lassen sich nicht blicken. Wahrscheinlich rasten sie irgendwo und lachen sich über uns Naturbewunderer kaputt. Nur zwei Kühe traben gemütlich über die Straße. Und überall: Schafe über Schafe. Sie liegen relaxt auf den Wiesen und bei wärmeren Temperaturen könnte man sich glatt dazu legen. Wer mehr als einen Tag Zeit hat kann gleich noch weiter fahren in den Rondane Nationalpark, der sich nach Norden anschließt. Und auch wir überlegen angesichts der atemberaubenden Natur eine Spontanübernachtung dran zu hängen. Oder gleich drei Wochen zu bleiben! 😉

Als wir am Abend doch auf dem Rückweg nach Oslo sind kann uns selbst der Platzregen nichts anhaben, der eine Autostunde vor der Hauptstadt beginnt, denn wir nehmen die Herbstfarben Norwegens im Herzen mit. Nachmachen erwünscht! ❤ 🙂

Fjordidylle? – in Norwegen gibt es auch Städte! Ja ok, die Natur ist immer dabei.

Für manch einen ist die Existenz von Städten in Norwegen eine Überraschung. Denn kaum jemand fährt wegen der Städte dorthin, Oslo vielleicht ausgenommen. Die meisten sind eher durch Fjorde, Angeln, Berge, Wandern oder was man eben sonst so in der Natur macht, motiviert nach Nordeuropa aufzubrechen. Ok, Mitternachtssonne und Polarlichter sind auch ein Thema. Aber es gibt sie tatsächlich. Städte in Norwegen. Und darunter einige wirklich sehenswerte. Bei mir hat sich ja im Laufe der Zeit so etwas wie eine Städte-Highlight-Liste manifestiert. Obwohl es zuweilen schwierig ist alle Städte miteinander zu vergleichen, weil sie so unterschiedlich sind, schon allein der extrem unterschiedlichen geographischen Lage wegen.

Mein Liebling ist und bleibt ja Oslo, weil es sich dort nicht nur wunderbar leben lässt, sondern weil die Hauptstadt an Dynamik nicht zu übertreffen ist, trotz der Größe einen Mega-Gemütlichkeitsfaktor hat, viel Kultur, viel Freizeitvergnügen, eben von allem das meiste in Norwegen. Hauptstadt eben. Jeder fünfte Norweger lebt hier.

Oslo, Copyright: insidenorway

Oslo, Copyright: insidenorway

Aber da gibt es ja noch mehr. Eine meiner Lieblingsstädte ist ja nach wie vor Bergen in der Provinz Hordaland und so ziemlich das größte Regenloch des Landes – obwohl: hatte ich bei meinen Besuchen immer nur Wetterglück oder stimmt das mit der regenreichsten Stadt Europas gar nicht. 😉 Regen hin oder her, die Stadt hat ne Menge zu bieten, von den berühmten Hansehäusern über den Fischmarkt, Aussichtsberge, Hurtigruten, Museen und und und. Und auch das Umland kann sich sehen lassen. Der Hardangerfjord liegt in der Nähe…..ups….doch schon wieder Natur. Ich glaube, genau DAS macht den Reiz der meisten Städte in Norwegen aus. Wenn man vom Trubel genug hat, kann man ruckzuck in der Natur auftanken. Und zwar in Natur der Marke „Atemberaubend“.

Nicht ganz so weit von Oslo liegt ja noch Lillehammer. Irgendwie wird die Stadt gerne vergessen stelle ich fest, die meisten erinnern sich gerade noch, dass da mal olympische Winterspiele waren. 1994. Aber das ist ja schon zwanzig Jahre her. Den Olympia-Park kann man natürlich heute noch besichtigen, im Sommer steht die Anlage ein bißchen traurig herum, nun gut, Skisprungschanzen beeindrucken eben am meisten im schneebedeckten Zustand. Die herrlich bunten Holzhäuser in der Innenstadt sind allerdings zu jeder Jahreszeit ein Highlight und erst recht der 117km lange Mjøsa-See, an dessen Nordufer die Stadt liegt. Merke: schon WIEDER Natur. 😉

Lillehammer

Lillehammer

Wechseln wir an die Westküste. Gut 300km nördlich von Bergen liegt Ålesund, definitiv auch einer meiner Favoriten. Hier gibt es Jugendstil bis zum Abwinken, den Atlantic Sea Park, die Stadt verteilt sich auf mehrere Inseln und nicht zu vergessen: die blaue Stunde. Im Grunde bezeichnet die „blaue Stunde“ nichts anderes, als dass das Blau des Himmels seine spektrale Zusammensetzung ändert. Physikalisch unromantisch und überall auf der Welt vorkommend, aber in Ålesund ist sie eben besonders zauberhaft. Für die Natur-Unersättlichen: der Geirangerfjord liegt vor der Tür.

Noch weiter nördlich liegt Trondheim. Der Stadt ist in unserem Blog ja schon ein eigener Artikel gewidmet. Nidaros-Dom, Stiftsgården (das größte Holzpalais Skandinaviens) und Kanalhafen gehören zum Pflichtprogramm.

Blaue Stunde in Ålesund, Copyright: Per Eide/visitnorway.com

Blaue Stunde in Ålesund, Copyright: Per Eide/visitnorway.com

Noch weiter nach Norden geht es. 350km nördlich des Polarkreises lockt Tromsø. Wahrzeichen ist die Eismeerkathedrale und sie ist auch unübersehbar. Außerdem ist der nördlichste botanische Garten der Welt ein Muss, alles, was in anderen Botanischen Gärten vor Wärme umkommt, erfreut sich hier regen Wachstums. Und dann Polaria, arktisches Aquarium, das einen in die Tierwelt der Arktik entführt, für alle, denen es zu kalt ist selbst im Polarmeer rumzutauchen. 😉

Schluss ist mit Norden allerdings noch nicht. Aber die Städte, die in Richtung Pol jetzt noch ausstehen, können flairmäßig ihre geographische Lage nicht verleugnen. Ich stelle fest, das Stadtfeeling nach Norden ab- und Natur eindeutig zunimmt. In Kirkenes zum Beispiel. Ja die Stadt an sich kann man keine architektonische Perle nennen und norwegisches Bilderbuchflair? Nein, nicht wirklich. Eher Grenzfeeling. Bis Finnland sind es 35km, bis Russland nur 10km. Gut, also wir schwenken wieder in die Naturaktivitäten. Und die sind erstklassig. Schneemobil, Flussboot, Quad, Wander- und Angeltouren, Königskrabbensafari, Eisfischen und Hundeschlitten. Langweilig wird es nicht. Im Sommer kommt die Mitternachtssonne hinzu, im Winter die Polarlichter. Das teilweise städtebauliche Grauen denkt man sich weg. 😉

Königskrabbensafari bei Kirkenes, Copyright: Terje Rakke/Nordic Life - Visitnorway.com

Königskrabbensafari bei Kirkenes, Copyright: Terje Rakke/Nordic Life – Visitnorway.com

Ja und jetzt? Jetzt ist Europa zu Ende. Moment, nein da ist noch was. Etwas, das ganz einsam im Nordpolarmeer liegt, eine Inselgruppe, die wie ich finde zu den norwegischen Highlights gehört. Spitzbergen. Oder Svalbard, wie es in Norwegen heißt. Natürlich gibt es auch hier eine Stadt, mit dem abenteuerlichen Namen Longyearbyen, eine der nördlichsten Städte der Erde. Mit dem Prädikat „Stadt“ ist dann aber auch schon alles über Longyearbyen gesagt, der Bergbaufreak ergötzt sich an den alten Bergbauzechen. Alle anderen ergötzen sich an der Natur. Also das mit dem „Stadt ohne Natur“ scheint in Norwegen nicht zu gehen. 😉 Aber man befindet sich hier ja auch wirklich, wo sich die Polarfüchse nicht nur sprichwörtlich gute Nacht sagen. Ebenso die Eisbären, Svalbard-Rentiere und Svalbard-Gänse.

Longyearbyen, Spitzbergen

Longyearbyen, Spitzbergen

Fazit: Stadt und Land lassen sich in Norwegen eben doch nicht so richtig trennen. Das ist der Zauber des Landes. Der Glamourfaktor nimmt nach Norden immer weiter ab. Und über den Norden da sagte einmal ein Norweger zu mir: Landsbygda er ikkje for sveklingar! (Die Landschaft ist nichts für Weicheier) Das sind wohl wahre Worte und ein Grund über seinen Weichei-Faktor hinauszuwachsen. Die Belohnung: ein erfülltes Norwegen-Herz!