Wo war der Winter im Winter oder: ist Norwegen nach Süden verrutscht?

Da sind wir wieder bei dem Thema: in Norwegen ist es doch immer kalt und dunkel. Gut, dunkel kann man immer noch nicht wegdiskutieren. Beim Thema kalt ist das in diesem Winter schon anders. Der Winterwettergott hat sich scheinbar ein Extra-Programm überlegt. Die Zauberformel heißt: wir machen es mal wärmer als sonst. Ok, bei null bis zehn Grad kann man nicht wirklich von tropischen Temperaturen sprechen, aber in Norwegen irgendwie doch. Da, wo letztes Jahr knackig kaltes norwegisches Winterwetter herrschte, dümpelt dieses Jahr alles im deutlichen Plusbereich dahin. Da könnte man sich ja sagen: schön, dass es nicht so kalt ist. Aber: wir bekamen stattdessen diesen Winter eine gehörige Portion Sturm dazu. Bei zu warm und zuviel Tiefdruck sagte sich jede Woche ein Sturmtief, dass es wieder mal Zeit ist, über das Land hinweg zu fegen. Mal abgesehen davon, dass es nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehört, bei Orkan quer durch Norwegen zu fliegen, WENN denn etwas flog, nein auch der Schiffsverkehr wurde durch die norwegisch-himmlische Sturmvereinigung ständig in Atem gehalten. Abwettern in irgendwo war die am häufigsten gebrauchte Vokabel in der Schiffahrt. Die Schneemobile blieben in der Garage und die Huskys hatten außergewöhnlich viel Urlaub. Kein Schnee eben.

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Schmuddelwinter in Finnsnes, Copyright: insidenorway

Wahrscheinlich war es dem Schnee zu lästig sich im ganzen Land zu verbreiten und so hat er es sich in Zentralnorwegen und am Nordkapp gemütlich gemacht. Am Nordkapp bevorzugt wieder mit seinem guten Freund Sturm und noch bevorzugter zu den Terminen, an denen ich am Nordkapp war. Somit hatte ich das Vergnügen Honningsvåg besonders intensiv kennen zu lernen, denn immer wenn ich dort ankam, hieß es: die Straße zum Nordkapp ist gesperrt. Grrrrrrr. Beim dritten Versuch keimte die Hoffnung in mir auf, doch diesen Winter den Globus auf dem Felsplateau noch zu sehen, doch während der Fahrt über die Insel Magerøya war Odin schneller, schickte einen 1A-Schneesturm und nach ein paar Kilometern war die Sicht null. Uns noch bis zum Schlagbaum vorzukämpfen, an dem das winterliche Kolonne fahren beginnt, hätten wir uns eigentlich sparen können. Mehr als ein freundliches Lächeln vom Schneepflugfahrer war nicht drin. Alles Retour. Nix Nordkapp.

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Im Schneesturm geht gar nichts mehr, Copyright: insidenorway

Ja so ist das manchmal. Die Norweger nehmen es gelassen, denn ändern kann man sowieso nichts daran. So gehörte also diesen Winter zur bevorzugten Freizeitbeschäftigung, alles, was nicht fest mit dem Boden verankert ist, eben an jenem zu befestigen, denn wer will schon gerne seine Mülltonne dreißig Kilometer weiter aufsammeln oder wieder aus dem Meer fischen.

Dazwischen gab es aber auch die anderen Tage. Zwischenzeitlich verirrten sich trockene minus 25 Grad nach Kirkenes, in Karasjok kratzte der Winter mit minus 48 Grad einmal am Temperaturrekord. Es gab spektakuläre Sonnenauf- und Untergänge. Und: die Nordlichter! Trotz des ganzen Wetterchaos gab es sie reichlich, eigentlich schon bevor der Winter richtig begonnen hatte. Und da Odin und sein Gefolge ein Einsehen hatte, öffnete er immer mal wieder den Wolkenvorhang, damit auch wir unten auf der Erde einen Teil der Lightshow genießen konnten. Leuchtend grün und violett tanzten sie gerne zwischen Tromsø und Skjervøy, die Gegend hat sich als sowas wie ein Nordlicht-Garant etabliert. Außerdem ist man bei der Nordlichtjagd wieder ganz froh über jedes Grad mehr Wärme. Da sie ja eher so tanzen wie SIE wollen und nicht wie WIR wollen, steht man stundenlang draußen, eingepackt bis oben hin, unterbrochen von kurzen Aufwärmpausen unterm Heizstrahler. Aber all das ist eben egal, wenn man in den leuchtend grünen Himmel blickt, da erträgt man die Kälte wie in Trance und tauscht eben mit den Mitbeobachtern heißen Tee aus.

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Nordlichtzauber hinter Tromsø, Copyright: Volker Lang

Fazit: Norwegen ist geografisch immer noch da, wo es hingehört, und hat auch im Winterchaos den unverwechselbaren Zauber und unverwechselbares Licht. Schließlich wäre es ja auch langweilig, wenn immer alles nach Plan läuft. Also auf ins Winterzauberwunderland. Spätestens im nächsten Winter und selbst genießen!

Wo die Walküren an Odins Tafel bitten oder auf der Jagd nach dem Nordlicht

Ja, das Nordlicht. Frage hundert Mann, was ihnen zuerst zu Norwegen einfällt. Richtig. Nordlichter. Und ihrem Zauber kann sich ja auch wirklich niemand verwehren. Ich persönlich finde ja die mythologische Erklärung viel besser als die wissenschaftliche. Ja, denn da kann man so richtig in Wikingermanier schwelgen. Und es ist doch auch viel reizvoller sich die Walküren vorzustellen, die nach jeder Schlacht über den Himmel reiten und die gefallenen Helden für Odins Tafel auswählen, begleitet vom Mondlicht, das sich in ihren Rüstungen spiegelt – eben als tanzende Nordlichter. Wer will da etwas hören von elektrisch geladenen Teilchen, die die Sonne einfach zeitweilig in unendlicher Menge ins All bläst.

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Und sie sind tatkräftig zurück. Vorletzte Woche sind die ersten bis nach Zentralnorwegen gesichtet worden. Und da soll noch jemand sagen, dass man bis zum Nordpol reisen muss um welche zu sehen. Sogar bei uns in Oslo zeigen sie sich manchmal, aber ich gebe zu, dass das ein eher seltenes Vergnügen ist. Die Sonne muss es dann schon sehr gut meinen. Also hält man sich für die Jagd am besten im Polarlichtoval auf, sprich alles, was sich im Bereich der Lofoten und nördlicher befindet. Immerhin erweitert sich die Chance in diesen Breitengraden von „extreme Sonnenlaune-Abhängigkeit“ auf „regelmäßige Erscheinung“. Die Launen der Natur muss man hier trotzdem hinnehmen. Ein zugezogener Himmel ist der Boabachtung des Spektakels nicht unbedingt förderlich.

Nordlichter über Kvaløya, Copyright: Gaute Bruvik - visitnorway.com

Nordlichter über Kvaløya, Copyright: Gaute Bruvik – visitnorway.com

Also am besten eine Woche einquartieren und darauf hoffen, dass die Natur gnädig ist. Der chronisch Ungeduldige lernt so auch gleich eine Lektion in Geduld üben. Aber wenn sie dann kommen, ja dann vergisst man alles um sich herum. Dann ist es egal, ob man zwei, drei, fünf oder zehn Tage gewartet hat. Man gibt sich einfach dem Naturschauspiel hin und erlebt das leuchtendste Grün, dass man je gesehen hat und das wie ein überdimensionaler Vorhang den Himmel einnimmt. Dem besonders Glücklichen schickt die Sonne gleich noch die Farben rosa und violett mit dazu und ein wahres Explosionsfeuer. Drei Sekunden Supernova-Feeling, so unwirklich, dass man gleich darauf meint, eine Fata Morgana beobachtet zu haben.

Copyright: Øyvind Blomstereng/My Magical Moments/Visitnorway.com

Copyright: Øyvind Blomstereng/My Magical Moments/Visitnorway.com

Wer also auf Nordlicht-Jagd geht und nur moderate Geduldvorräte hat, sollte die Jagd-Monate September, Oktober und März aussuchen. Nicht, dass man grundsätzlich von November bis Februar keine sieht, aber die Wolken. Die Wolken eben. Ja, im Verstecken spielen hat sich das Nordlicht perfektioniert. Wer seine Chancen maximieren möchte, klickt auf den nachfolgenden Link, hier gibt es zumindest eine Vorhersage, wo sie denn auftauchen. Tromsø und Svalbard schaffen in der Hochsaison auch schon mal neun von zehn Nächten im Farbtaumel. Den Polarlicht-Lottogewinn sozusagen. Also blasen wir zum Halali für die Nordlicht-Jagd!

Nordlicht-Vorhersage hier klicken

Viel Tier, wenig Mensch – Norwegen extrem in der Provinz Finnmark

Ganz im Norden, ganz dünn besiedelt, ganz große Provinz, ganz lange Polarnacht, ganz lange Zeit der Mitternachtssonne. In der Provinz Finnmark ist eben alles ganz speziell. Im Moment ist es ganz hell. 24 Stunden am Tag. Aber in knapp zwei Wochen kehrt die Nacht zurück. Ganz zaghaft. Immerhin dauert sie am 30. Juli 45 Minuten. Nach zweieinhalb Monaten Dauertageslicht. Aber Tier und Mensch leben damit. Und zwar auf gemütlich viel Raum. Bei 1,5 Einwohnern pro km² kann man Nachbarschaftsstreitigkeiten getrost vergessen. Wer hier auf Wanderschaft geht, trifft eher auf ein Rentier als auf einen Einwohner.

Copyright: CH - visitnorway.com

Copyright: CH – visitnorway.com

Ja die Tierwelt ist hier überhaupt ein großes Thema. Mit dem Auto unterwegs? Ja dann wartet man eben mal länger, wenn eine Rentierherde ganz gemütlich kreuzt. Wer nicht so Hirschfreund ist, der kann sich aber auch an den hiesigen Vögeln ergötzen. Derer gibt es hier besonders viele. Hier ist man als Vogel eben ungestört und kann nach Herzenslust seine Eier ausbrüten. Und die Winter sind nur verhalten streng. Vogelparadies sozusagen.

Copyright: Asgeir Helgestad/Artic Light AS/visitnorway.com

Copyright: Asgeir Helgestad/Artic Light AS/visitnorway.com

Wenn man dann doch einmal ein menschliches Wesen findet, sind es meistens Sami. Ja sie leben hier in rauen Mengen. Also insofern, dass von 70.000 Einwohnern der Provinz 50.000 Sami sind. Und sie leben noch ganz ursprünglich im Einklang mit der Natur. Wer in der Finnmark zu Gast ist erfreut sich an ihren traditionell bunten Trachten, ihrem Umgang mit den Rentieren, ihrem ganzen Lebensstil. Und wer einmal abends an einem Sami-Lagerfeuer gesessen hat, braucht danach kein städtisches Leben mehr. Oder sagen wir vielleicht nur noch reduziert. 😉

Copyright: Terje Rakke/Nordic Life - Visitnorway.com

Copyright: Terje Rakke/Nordic Life – Visitnorway.com

Ganz verhalten kann aber auch der Stadtaffine seiner Leidenschaft fröhnen. In Alta zum Beispiel, der größten Stadt der Provinz mit immerhin knapp 20.000 Einwohnern. Aber das ist nur Nebensache. Viel besser ist, dass man von hier aus zu Hundeschlittentouren aufbricht, das unglaublich blaue Licht genießt und sich den Nordlichtern hingibt. Ok, schon wieder mehr Natur als Stadt. Aber immerhin steht in Alta die Nordlyskatedralen (Nordlichtkathedrale). Ich finde ja, dass das Nordlicht hier perfekt in ein Gebäude gefasst wurde. Außen Spirale in den Himmel, innen die wogenden Lichtvorhänge der Nordlichter als LED-Vorhang. Ja, das ist Natur und Architektur in Einklang.

Copyright: CH - Visitnorway.com

Copyright: CH – Visitnorway.com

Den ganz hart gesottenen winkt noch ein besonderes Erlebnis. Allerdings muss man dafür im Winter anreisen. Am 15. Dezember öffnet wieder das Sorrisniva Igloo Hotel. Dann ist es schon wieder 24 Stunden dunkel und man kann sich gemütlich ins Bett kuscheln. Moment, sagte ich gemütlich kuscheln? Alles ist aus Eis hier. Lobby, Restaurant und ja: auch die Zimmer und demzufolge die Betten. Schnatter. Immerhin kuschelt man in Rentierfellen. Es ist eben das ganz andere Übernachtungserlebnis. 😛

Copyright: Terje Rakke/Nordic Life - Visitnorway.com

Copyright: Terje Rakke/Nordic Life – Visitnorway.com

Fazit: im Sommer wie im Winter gehört die Provinz Finnmark zu den Norwegen-Highlights. Am nördlichen Rand Europas besinnt man sich zurück auf das Wesentliche. Den Mensch im Einklang mit der Natur. Auszeit vom Alltag, Eindrücke sammeln, die einem niemand nehmen kann! Also hinfahren, Auszeit nehmen, neu booten!

Lofoten Love Story oder Inselrausch auf Norwegisch

Der Norwegen-Fan kennt sie – die Lofoten. Also eigentlich ja ohne „die“, denn das angehängte -en ist ja nichts anderes als der bestimmte Artikel. Das Norwegische hat eben seine Besonderheiten. Nun ja, trotzdem kann man getrost in der Mehrzahl reden, schließlich handelt es sich ja um mehrere Inseln. Im Moment hält der herrschende Hochsommer mollig warme 12 Grad bereit. Da der Golfstrom hier netterweise vorbei fließt ist das Klima für die Lage nördlich des Polarkreises vergleichsweise milde. Aber wen kümmert ein kühler Sommer außerdem, wenn man dafür eine so zauberhafte Landschaft bekommt?  Zusatzbonus: bis 19. Juli heißt es noch „Tageslänge 24 Stunden“! Der Besucher verzichtet also zweckmäßigerweise in diesen Tagen auf den Schlafmodus und hüpft von Insel zu Insel im Genuss der Mitternachtssonne.

Svolvær, Hauptort der Lofoten auf der Insel Austvågøya

Svolvær, Hauptort der Lofoten auf der Insel Austvågøya

Darüber hinaus bekommt man auf den Lofoten so ziemlich alles, was Naturgewalten zu bieten haben. Nicht umsonst haben sich die 24.000 Bewohner überwiegend auf der östlichen Seite der Inseln niedergelassen. Im Westen müsste man sonst übermäßigem Seegang und Wind standhalten. Das Meer holt sich allerdings, was es bekommen kann, drückt zumindest sein Wasser kräftig zwischen den Inseln hindurch und attackiert zeitweilig mit heftigen Strudeln. Aber trotz der rauen See holen die Einwohner Tonnen von Fisch ans Land. Ist ja auch neben dem Tourismus die Haupteinnahmequelle. Sobald der Dorsch im Netz ist wird er zu Stockfisch verarbeitet. Wenn die Fischlein zum Trocknen draußen hängen, bieten sie tolle Fotomotive, beim Verzehr muss ich passen. 😉

Moskenes, Copyright: Frithjof Fure - Visitnorway.com

Moskenes, Copyright: Frithjof Fure – Visitnorway.com

Wer nicht nur auf dem Weg der Hurtigruten die Lofoten streift und demzufolge unter chronischem Zeitmangel leidet, kann sich hier richtig austoben. Wandern, Biken, Angeln, Kayaking, sozusagen für jeden Geschmack ist etwas dabei. Und die Polarnacht ist hier verhältnismäßig kurz. Erst am 7. Dezember geht die Sonne endgültig unter und bleibt nur für vier Wochen verschwunden. Es wird auch nicht wesentlich kälter als null Grad. Wieder mal der Golfstrom.

Kühles Winterlicht in Reine

Kühles Winterlicht in Reine

Ja und noch etwas: wer in den Wintermonaten anreist verzichtet zwar auf das Spektakel der Mitternachtssonne, bekommt aber dafür das Farbfestival der Polarlichter. Geradezu unheimlich wenn sie in grün und violett über den Himmel tanzen und etwas, was man im Herzen mitnimmt. Also am besten länger bleiben, damit die Chance am größten ist. Bedenke: bei Wolkenhimmel zeigt einem die Aurora Borealis eine lange Nase. Wer zum Polarlichtjäger werden will sucht sich deshalb Dezember bis Februar als Reisezeit aus, da sind die trockendsten Wintermonate mit den meisten klaren Nächten.

Copyright: Stockshots - Visitnorway.com

Copyright: Stockshots – Visitnorway.com

Anyway. Am besten man plant gleich zwei Reisen auf die Inselgruppe. Erst im Sommer, dann im Winter, oder umgekehrt. Egal wie herum. Wenn man einmal da war, möchte man sowieso nicht mehr von dort weg! 🙂