In der Mitte bitte! Wo der Lachs wohnt und ein Loch im Berg ist: Brønnøysund !

Das kleine Städtchen Brønnøysund hat es sich so ziemlich auf der Mitte der norwegischen Küstenlinie bequem gemacht, wenn man von Norden nach Süden reist oder umgekehrt. Nun ja, der Ort ist vielleicht nicht der Nabel der Welt, dafür hält er aber eine der schönsten Umgebungen bereit: die Region Helgeland. Von Norden kommend passiert man das Vega-Archipel, wo sich die Eiderenten tummeln und nach Süden winkt der Torghatten, der sein Loch im Bauch präsentiert. Wer außerdem wissen möchte, wie der fabelhafte Lachs auf den Teller kommt, kann zusätzlich noch auf einer Lachsfarm vorbei schauen, übrigens die einzige, wo man auch als Nicht-Lachs Zutritt hat.

Dabei ist mir absolut klar, dass man sich im Landschaftsszenario der Helgeland-Saga als Lachs nur wohlfühlen kann, schließlich gehört die Region zu den schönsten in Norwegen. Auch wenn die Fischlein dort als Zuchtlachs ihr Dasein fristen, erwartet sie die gleiche Lebenszeitspanne wie in der freien Natur. Ok, vielleicht mit räumlichen Einschränkungen. Ja und ich gebe zu auch wenn ich weiß, dass der arme Fisch den Lachstod sterben muss um ihn verspeisen zu können, schmeckt er einfach wunderbar, wenn er aus dem Becken gefischt wird und auf dem Grill gart. Die Lachskostprobe, die einem in der Lachszuchtanlage hier gereicht wird, macht definitiv Lust auf mehr.

Copyright: insidenorway

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Brønnøysund selbst ist hübsch anzuschauen mit seiner neu gemachten Promenade und der niedlichen Kirche, aber natürlich ist das Highlight der Torghatten, den man bei gutem Wetter vom Ort aus sehen kann. Vor allem, wenn er im goldenen Abendlicht leuchtet allerliebst.

Deshalb sollte man sich auch unbedingt nicht nur darauf beschränken, das besagte Loch im Berg von außen zu betrachten, sondern man sollte sich auch einmal aufschwingen aus seinem Loch heraus zu schauen. Glücklicherweise auch wieder mal für Fitness-Muffel wie mich leicht zu schaffen. Der Rundweg zählt gerade mal vier Kilometer und stellt auch an Füße und Schuhe keine großen Ansprüche. Also Highheels geeignet ist er nicht, aber das mit dem Geröll, das man ja so gerne auf Wanderruten in Norwegen antrifft, hält sich in Grenzen. Man geht also gemütlich los, zuerst durch Gras- und Sträucherherrlichkeit, später gibt es mehr Steine auf dem Weg, ja so ganz ohne Geröll geht es eben doch nicht. Da man aber nur auf gemütliche 150m ansteigt kann man Rutschfreuden genüßlich entsagen. Nur zwanzig Minuten dauert es bis man den Blick aus dem Loch heraus auf die Schärenlandschaft genießen darf. Es ist übrigens riesig und man könnte ein ganzes Schiff bequem hindurchschieben. Erstaunlich, denn wenn man von Weitem auf den Torghatten blickt, kommt es einem weitaus kleiner vor. Aber das liegt wohl daran, dass Berge gemeinhin die Eigenschaft haben, eine größere Masse Felsgestein in sich zu vereinen und das menschliche Auge ist ja bekanntlich nicht das beste Messgerät.

Copyright: Magnar Solbakk / www.visithelgeland.com / Brønnøy

Copyright: Magnar Solbakk / http://www.visithelgeland.com / Brønnøy

Wenn man sich vom Anblick der Schärenlandschaft losgerissen hat, genießt man die Wiesenlandschaft, die man auf dem Rückweg passiert. Norwegenidyll wie es hübscher nicht sein könnte. Wer sich am Nachmittag zur Wanderung aufgemacht hat, sieht außerdem noch das südgehende Schiff der Hurtigrute vorbei fahren.

Eines meiner persönlichen Highlights winkt bei Sonnenuntergang. Das aber wiederum nur, wenn man aus einiger Entfernung auf den Torghatten blickt. Dann hat man vielleicht das Glück, dass die Sonne genau hinter dem Berg untergeht und ihre Strahlen gleißend durch das Loch scheinen. So als wolle der Torghatten den Stern einfangen und mit aller Kraft festhalten. Aber nach wenigen Minuten ist die Sonne ihm schon wieder entglitten.

Fazit: in der Umgebung von Brønnøysund sollte man ein paar Tage verweilen, entschleunigen, Norwegen genießen. Und vielleicht sieht man dann auch die Gestalten der Helgeland-Saga über den Himmel reiten, aber nur vielleicht. 😉

Spring kiss oder: Die Hurtigrute wird jetzt wieder zur Sonnenrute Teil 2 !

Streckenbergfest ist Nordkappfest. Und Windfest. Eben hegt man auf dem dreißig Kilometer langen Weg vom Schiff zum nördlichen Rand Europas noch die Hoffnung, dass so etwas wie Windstille herrscht und schon ist man wieder im schönsten Wetterwirrwarr. Nordkapp eben. Hier macht das Wetter, was es will und ändert seine Laune auch gerne alle zwanzig Minuten. Die Schönheit der Landschaft kann das trotzdem nicht beeinflussen. Man muss wohl nicht sagen, dass das mit dem Frühling auf 71° nördlicher Breite noch nicht SO richtig in Gang gekommen ist. Ok, Bäume sind hier ja sowieso Mangelware, aber auch das Bodengrün hält sich noch unter Schnee bedeckt. Nun ja, dafür kann man aber auch den Nordpol riechen, auch wenn er noch hübsche zweitausend Kilometer entfernt liegt.

Nordkapp, Copyright: insidenorway

Nordkapp, Copyright: insidenorway

Und ja, der Wind. Marke umwerfend. Über den vereisten Boden rutscht man mit seinem eigenen kleinen Windkraftwerk. Bevorzugt auch in die Richtung, in die man gar nicht will. Das Erinnerungsfoto am Globus wird zur Herausforderung. Wo man nicht rutscht, steht man knöchelhoch im Tauwasser. Aber was macht das schon, wenn man quasi eins mit den Naturgewalten ist und schließlich kann man sich zwischendurch in der Nordkapphalle aufwärmen. Ich finde es immer am schönsten jede Sekunde an diesem zauberhaften Ort auszukosten und die Aufwärmphase in den Bus zu verlegen. Nordkapp intensiv sozusagen.

Nun geht es nordgehend südwärts. Dass Kirkenes fast so südlich wie Tromsø liegt, sagte ich ja schon. Und dass die russische Grenze nur zehn Kilometer entfernt ist, kann man auch nicht leugnen, wenn man durch die Stadt spaziert. Kyrillisch ist Programm. Kein Wunder, denn hier herrscht Shopping-Wahn in beide Richtungen. Der Russe kommt wegen der besseren Qualität, der Norweger giert nach Billigware auf der anderen Seite der Grenze. Dem Lieblingsteuerthema Alkohol und Zigaretten wird allerdings ein Strich durch die Rechnung gemacht. Wer selbiges in Russland kauft, muss 24h bleiben. Fünfmal am Tag hin und her fahren um die Einfuhrbeschränkungen auszutricksen bleibt im Ich-würde-gerne-Modus stecken.

Der Geschichtsfreak schaut noch in der Andersgrotta vorbei, ein Luftschutzkeller, in dem die Einwohner während des zweiten Weltkriegs vor dem Bombenterror Schutz suchten. Der traurige Teil der Geschichte von Kirkenes.

Andersgrotta, Copyright: insidenorway

Andersgrotta, Copyright: insidenorway

Nach dem Wendepunkt geht es nun wirklich wieder südwärts – reiserutentechnisch. Wenn man Glück hat, erlebt man eine zauberhafte blaue Stunde in Vardø, der östlichsten Gemeinde Norwegens. Natürlich gibt es hier eine Festung, die nördlichste der Welt. Schon wieder ein norwegischer Superlativ. Überall sonst in Vardø ist Leben vom Fischfang Programm und auch die Vogelwelt erfreut sich am Fischreichtum. Brüten ist hier die höchste Vogeldisziplin. Gibt ja auch so herrliche Inseln draußen, die die Gefiederten quasi zu ihrem Grundbesitz erklären können. Und weil die Inseln nicht ausreichen, nistet man sich auch gerne in so ziemlich jeder Hausnische ein, die man zum Vogelheim umfunktionieren kann. Vardø im Vogelglück.

Blaue Stunde in Vardø, Copyright: insidenorway

Blaue Stunde in Vardø, Copyright: insidenorway

Nach einer Reihe von Häfen, die man wegen Sturm im Winterhalbjahr auch einmal auslassen muss, ist wieder Stopp in Tromsø. Spät abends mit der Chance aufs Mitternachtskonzert in der Eismeerkathedrale. Dann sind endlich die Lofoten dran. Bevor man allerdings in Svolvær anlegt zwängt sich das Schiff zwischen Lofoten und Vesterålen durch den Raftsund.  Ja das ist ein landschaftliches Fest. Auf zwanzig Kilometer Länge ragen die Berge empor, der niedliche Eingang des engen Trollfjords zieht vorbei und es ist einem völlig egal, ob es draußen windet oder regnet. Man will einfach nur genießen.

Raftsund, Copyright: insidenorway

Raftsund, Copyright: insidenorway

Wer draußen ausgeharrt hat, hat sich in Svolvær das Bierchen in der warmen Stube verdient. Ok, wenn man noch nicht dort war, will man sich zuerst das Städtchen anschauen, nebst zauberhafter Rorbuer-Fischerhäuschen und auch einen Blick auf den aufgehängten Trockenfisch werfen. Aber ich finde, es hat etwas von Lofoten-Gemütlichkeit im „Anker“ einzukehren, gleich hinter der Brücke, über die man auf die Halbinsel Svinøya rüber schlendert. Urig, Fischer-Norwegen-Feeling und ein wärmender Kamin. Da könnte man glatt vergessen, dass man die Uhr im Blick behalten muss um das Ablegen des Schiffs nicht zu verpassen. Spätestens wenn man beim obligatorischen „tuuuuut“ noch beim bezahlen der Zeche ist, weiß man, dass man sich gleich gegenüber eine Rorbu mieten kann. Autsch!

Wer rechtzeitig wieder auf dem Schiff ist, darf am nächsten Tag wieder Naturhighlight-Sightseeing betreiben. Der Torghatten zeigt sich. Der berühmte Berg mit dem Loch im Bauch und der Legende nach ein versteinerter Hut, der von einem Pfeil durchbohrt wurde. Die Norwegen-Saga fasziniert.

Torghatten, Copyright: insidenorway

Torghatten, Copyright: insidenorway

Wer nicht die ganze Strecke bis Bergen zurück fährt, findet den Endpunkt seiner Reise in Trondheim. Umgekehrtes Schiffsschmusen nun am Kai. Diesmal liegt Miss nordgehend nebenan. Zeit für einen Abschiedsbesuch. Und dann heißt es auch Abschied nehmen von 3.500km Norwegenküste. Der Süchtler kommt natürlich wieder. Weil es einfach zu schön ist auf der schönsten Seereise der Welt! ❤ 🙂

Wo der Polarkreis wohnt und die Berge Löcher haben – Helgeland

Mo i Rana, hier kann man den Polarkreis riechen. Die größte Stadt der Region Helgeland liegt gerade einmal achtzig Kilometer von ihm entfernt. Nun ja ein Kleinod ist die Stadt vielleicht nicht, viel Schwerindustrie eben. Aber der Polarkreis. Irgendwie übt er eine besondere Faszination auf mich aus. Ich finde, dass immer, wenn man ihn nach Norden überschreitet, die Natur leise sagen will: ab hier ist es anders. Man bewegt sich ja auch sozusagen aus der gemäßigten Zone ins Polargebiet. Ab hier gibt es Mitternachtssonne und Polarnacht und natürlich die Nordlichter. Sie sind ja nicht IMMER so gnädig, dass sie sich selbst bis zu uns nach Oslo hinunter bemühen. Ok, unmittelbar am Polarkeis sind auch Dauerhelligkeit und Dauerdunkel ein eher kurzes Vergnügen, aber hier beginnt die magische Zone. Natürlich ist der Polarkreis überall markiert, so dass man ihn, egal ob man ihn zu Land oder zu Wasser überschreitet, nicht verpassen kann.

Polarkreisgrenze, Copyright: Rune Fossum / www.nordnorge.com / Rødøy

Polarkreisgrenze, Copyright: Rune Fossum / http://www.nordnorge.com / Rødøy

Aber Polarkreis hin oder her: er markiert das Ende der Region, wir starten also südlich. Schließlich gibt es im Gebiet Helgeland ja noch viel mehr zu sehen. Also ein paar Tage zurückspulen. Start Oslo. Ok, es sind dann doch ein paar Kilometer bis man die Grenze zur Provinz Nordland passiert, aber die E6 zieht sich netterweise durch ganz Norwegen, kein Verfahren, man folgt einfach der Straße und Natur hat man auch noch drumherum. Nun ja, je nachdem, wo man hin will, muss man sich dann doch ein wenig durch den Küstenstraßendschungel kämpfen und von der E6 abweichen. Zum Beispiel, wenn man den Torghatten sehen will. Aber man muss ihn einfach besuchen. Er liegt in unmittelbarer Küstennähe auf der Insel Torget. Unverwechselbares Kennzeichen: ein Loch im Bauch. Und hier muss man nicht einmal grübeln, wie es denn da rein gekommen ist, denn Norwegen liefert die Legende gleich dazu.

Copyright: Ronny Lien / www.visithelgeland.com / Brønnøy

Copyright: Ronny Lien / http://www.visithelgeland.com / Brønnøy

Sie rankt sich um Liebe, eine wilde Jagd und die aufgehende Sonne, die schließlich alles versteinerte. Man soll nach der Liebsten eben nicht mit Pfeilen werfen, so wie es der Königssohn Hestmannen tat. Der Pfeil konnte durch den Wurf eines Hutes aufgehalten werden. Das Loch, das selbiger im Hut hinterließ, ist eben heute noch im Felsen zu sehen. Die versteinerte Kopfbedeckung in Form des Torghatten ist jedoch nicht das einzige Überbleibsel dieser Legende. Weiter nördlich auf der Insel Alsten südlich von Sandnessjøen liegen die sieben Schwestern. Ursprünglich die nichtbeachteten Geschwister der hübschen Lekamøya. Ja, Hestmannen hatte eben nur Augen für seine Angebetete. Das Versteinerungsschicksal blieb allerdings auch den Schwestern nicht erspart. Bei Sonnenaufgang erstarrten auch sie zu Felsen. Heute liegen sie in Form von markanten Gipfeln aufgereiht und erfreuen den Besucher mit einem zauberhaften Blick von der Küstenstraße 17 aus oder wenn man mit den Hurtigruten vorbeischippert. Ja, das ist Norwegen-Romantik.

Sieben Schwestern, Copyright: Erlend Haarberg / www.visithelgeland.com / Herøy

Sieben Schwestern, Copyright: Erlend Haarberg / http://www.visithelgeland.com / Herøy

Und dann gibt es noch einen besonderen Naturleckerbissen. Bewegt man sich wieder ein Stück weiter nach Norden, gelangt man zum Vega-Archipel, der unmittelbar vor der Küste liegt. UNESCO-Welterbe wird man so schnell nicht, aber die 6.000 Inseln haben sich ihren Platz in der Liste erobert. Schließlich erfreute sich Tier und Mensch hier immer einer besonderen Symbiose. Wo der Mensch den Eiderenten einen behüteten Nistplatz gab, bedankten sich die Enten eben mit den zurückgelassenen Daunen, die der Mensch wiederum zu hochwertigen Daunendecken verarbeitete, die in die ganze Welt verkauft wurden. So geht Zusammenspiel zwischen Tier und Mensch und ein paar der Bruthäuschen sind immer noch in Betrieb. Logisch, dass der Vega-Archipel auch ein Paradies für Vogelbeobachtung ist.

Copyright: VegaVega, Hauptinsel des Vega-Archipels, Copyright: Opplevelsesferie / www.visithelgeland.com / Vega

Vega, Hauptinsel des Vega-Archipels, Copyright: Vega Opplevelsesferie / http://www.visithelgeland.com / Vega

Weiter geht es nach Norden. Zum Svartisen Nationalpark. Einer der schönsten in Norwegen, weil er so abwechslungsreich ist. Berge, Gletscher, Täler, durch die sich Flüsse schlängeln, Hochebenen. Für jede Kondition etwas. Und hier schließt sich der Kreis – der Polarkreis. Durch den Park verläuft er und das sieht man. Viele Pflanzenarten machen in ihrer Ausbreitung vor ihm stopp als wollten sie sagen: in der Polarregion ist es uns zu kalt. Umgekehrt weigert sich die Polarvegetation seine Grenze nach Süden zu überschreiten. Natur ist eben intelligent.

Für dieses mal ist tourenmäßig Schluß. Den Vorstoß noch weiter nach Norden heben wir uns für eins der nächsten Abenteuer auf. Schließlich muss man sich die Vorfreude bewahren. Im Norwegen-Herz! 🙂