Von Natur aus bin ich ja ein ziemlicher Hitzeknubbel, aber im Winter pflege auch ich mich für gewöhnlich warm eingepackt draußen aufzuhalten. Wehe ich muss in ein Geschäft, denn dann fängt nach gefühlten dreißig Sekunden der Schweiss an zu fließen. Nun ja, dass kannte ich durchaus auch von Deutschland, aber als ich nach Norwegen kam, lernte ich eine neue Form von Wärme kennen. Die Tropen in Innenräumen. Ja, der Norweger hat es eben gerne warm in seinen heimischen Räumen, und nicht nur da. Auch öffentliche Gebäude und Ladenlokale erfreuen sich innen tropischer Temperaturen. Schließlich ist es ja draußen hin und wieder so kalt, dass man sich über jede temporäre Erwärmung freut und je weiter man gen Norden reist, desto weniger erwärmt sich der Sommer auf ein T-Shirttaugliches Maß. Kurzerhand schafft sich der Norweger also seinen kleinen Privatsommer in seinen vier Wänden, schließlich ist das Thema Heizkosten ja nicht das finanziell drängendste. Geheizt wird mit Strom, denn davon gibt es reichlich. Der Urnorweger hat sich bei Holz und Wasser in der Schöpfungsphase ganz vorne angestellt. Nur wusste er da noch nicht, dass ihm das ein paar tausend Jahre später das muggelige Heim bescheren würde, das mit seiner Wärme des Norwegers Herz erfreut.
Holz war ja dann auch lange Zeit die Hauptquelle der Energieerzeugung, aber irgendjemand kam auf die Idee es doch einmal mit Wasserkraft zu versuchen. Nun ja, wenn etwas im Überfluss in Norwegen vorhanden ist, dann Wasserfälle, die sich überall herunterstürzen, wo man sich herunterstürzen kann. Zum Wohle der Elektrizität werden sie dann auch gelegentlich mal umgeleitet, der Mardalsfossen in der Provinz Møre og Romsdal darf schon geraume Zeit nicht mehr fließen wie es ihm beliebt. Immerhin wird er im Sommer für ein paar Wochen für die Touristen „freigeschaltet“, so dass sie sich an seinem ursprünglichen Fallweg erfreuen können. Unberührte Natur und so. Ja, da ist es wieder. Das alte Problem, natürliche Ressourcen nutzen gegen unberührte Natur erhalten.

Mardalsfossen, Copyright: Tadas Pakalniskis
Der Norweger ist natürlich äußerst erfreut über soviel Strom im Überfluss. Und Fluss kann man hier wirklich wörtlich nehmen, denn bis heute deckt Norwegen seinen Energiebedarf im Löwenanteil aus eigener Wasserkraft. Das führt dann eben zwangsläufig zu besagtem Privatsommer im trauten Heim und zu einem bis zu achtmal höheren Stromverbrauch im Vergleich zu deutschen Haushalten. Da man auch gerne mal auf zweihundert Quadratmetern wohnt, kann sich jeder vorstellen, was da im Monat so an Strom durchgejagt wird. Aber warm ist ja nicht das einzige Maß aller Dinge. Denn wo Wärme wohnt, sehnt sich der Norweger auch nach Licht. Ist ja auch logisch, wo doch im Winter die Sonne das Land eher spärlich beglückt. Und der Norweger ist da sehr konsequent. Als ich nach Norwegen kam, war ich gewohnt, brav das Licht auszuschalten, wenn ich einen Raum verlasse. Von Freunden erntete ich irritierte Blicke. Licht aus? Ach woher denn, wenn man auch in der Toilette und im Abstellraum Festbeleuchtung haben kann. In der Küche brennt gerne die ganze Nacht über das Licht, dann sieht man wenigstens auch gleich, wo der Kühlschrank ist, wenn man des nachts Appetit auf ein Nugattibrot bekommt. Ja, was wenig kostet, lässt einen zuweilen dazu neigen, damit verschwenderisch umzugehen.
Aber das Stromding geht noch weiter. Als ich zum ersten mal nach Tromsø kam, im Winter, lag die Stadt im Schnee und hielt Winterschlaf. Bis auf die Gehwege. Die präsentierten sich hübsch und schneefrei um die Passanten mit der Möglichkeit unbeschwerten Laufens zu erfreuen. Ok, dachte ich, da hat jemand besonders sorgfältig geräumt. Aber ich hatte die Rechnung ohne den Norweger gemacht. Wenn man schon Energie im Überfluss hat, ist es doch eine hübsche Winterannehmlichkeit, die Gehwege einfach mit einer Fußbodenheizung zu versehen. So braucht sich keiner mit lästigem Schnee schippen abzumühen und man muss sich auch nicht über so viel gebrochene Knochen beklagen. Ich habe mich dann auch nicht mehr gewundert, als bei uns in Oslo der Bryggetorget im Stadtteil Akerbrygge mit der elektrischen Schneeschmelze beglückt wurde. Praktisch, winterlich, gut. Und was der Norweger für gut befindet, adaptiert er auch gerne für sein zuhause. Der ein oder andere entschied, dass er selbige Annehmlichkeit auch unbedingt für seine private Einfahrt braucht. Winterluxus.

Beheizte Gehwege in Tromsø, nur die Strasse bleibt schneebedeckt, Copyright: Insidenorway
Inzwischen ist Norwegen am Rande seiner Kapazitäten angekommen. Wo man vor Jahren flugs ein neues Kraftwerk aus dem Boden gestampft hat um den Mehrbedarf zu decken, sagt die Natur jetzt: nö. Mehr Flüsse und Wasserfälle als vorhanden, kann man eben nicht umleiten. In punkto Stromversorgung ist aus staatlich mittlerweile privat geworden und der Norweger muss mit den Unannehmlichkeiten leben, wenn es mal wenig regnet: höhere Strompreise. Und wenn etwas eingedämmt werden soll, denkt der norwegische Staat ja auch gerne mal nach, in seinen Augen Unnötiges, mit einer Luxussteuer zu belegen. Zum Beispiel beheizte Auffahrten. 😉
Aber wenn es eng wird ist der Norweger ganz Wikinger und besinnt sich auf neue Möglichkeiten. War da nicht was mit Holz? Zurück also zur Tradition. Mittlerweile erinnern sich viele Norweger wieder daran, dass sich mit Holz prima heizen lässt und machen sich sogar auf, selbiges zu hacken. Wundert da irgendjemand, dass das meistverkaufte Buch des Jahres 2011 eine Anleitung zum Hacken, Stapeln und verfeuern von Holz war? Nein!
Auf die Tradition! 😉 🙂

Wintervorrat, Copyright: Maria Helen