Lofoten Islands

Da ist es doch immer kalt und dunkel und so……

Es ist ja so eine Sache mit dem berühmt berüchtigten Winter und der häufigste Spruch, der mir um die Ohren gehauen wird, wenn es um das Thema „Leben in Norwegen“ geht, ist in der Regel: „Da ist es doch immer so kalt und dunkel….“

Und in der Tat könnte man im norwegischen Süden seit Wochen wieder denken: ob die Sonne noch weiß, wo sich Oslo befindet? Und ich erwische mich in diesen Wochen doch das ein oder andere mal, dass ich darüber fluche, dass der Himmel einfach nicht aufreißen will und ich mir mittlerweile eine größere Kollektion an Regenschirmen zugelegt habe. Ein einarmiges Leben ist im Oktober/November sozusagen Programm, da zwangsläufig ein Arm für Regenschirm halten verplant ist. Und tatsächlich kann man in Südnorwegen statt von Winter eher von Schneematsch und Schmuddelwetter sprechen. So weit so gut.

Begibt man sich allerdings in den Norden oder ins Zentrum des Landes, würde jeder Alpenskiort vor Schneeneid erblassen. Und bei EINEM Naturschauspiel kann man erst recht erblassen und gleich nebenbei noch realisieren, welch kleine Würstchen im Universum wir doch sind. Und allein schon dafür lohnt sich der Winter. Wenn sie kommen. Die Polarlichter!

Schön, dass wir nicht drüber gesprochen haben!

Ja, dieser Satz gehört, so könnte man sagen, zur Grundausrüstung der Auftragsbeschaffung in der norwegischen Arbeitswelt. Wie bitte?

Nun ja, ich habe ja schon wirklich in vielen Theatern gearbeitet und der Satz „Rufen Sie uns nicht an, wir rufen SIE an“ ist mir durchaus geläufig. Aber dass das in Norwegen quasi zum Tagesgeschäft gehört, lässt mich doch ein wenig schmunzeln. Der Norweger an sich ist ja ein eher zurückhaltender Zeitgenosse und setzt das auch im Job konsequent um. Zumindest bei Entscheidungsfindungen. Man lässt sich Zeit damit und im Idealfall meldet man sich einfach nicht mehr. Das hat keinesfalls mit Unhöflichkeit zu tun, sondern vielmehr mit liebenswerter Fürsorge für denjenigen, dem man eine Auftragsabsage erteilen will. Indirekt und ohne unangenehme Konversation sozusagen.

Ja und sonst im Arbeitsleben? Der Deutsche klammert sich ja gerne an Hierarchien. Direkt mit dem Chef sprechen ist am besten, da gelangt man am schnellsten an den Auftrag. Norwegische Unternehmen ticken da aber komplett anders. Offensichtliche Hierarchien? Fehlanzeige. Businesskleidung und Schlipsträgertum? Fehlanzeige. Letzteres kommt meiner Künstlermentalität sehr entgegen. Und gnadenlos geduzt wird natürlich auch in der norwegischen Businesswelt. Für den Deutschen manchmal irritierend. In norwegischen Unternehmen gibt es allerdings sehr wohl eine Hierachie, nur wird sie nicht so offen zur Schau getragen wie in vielen anderen Ländern. Und wer meint, dass der Deutsche ja gemeinhin vom Ruf der Pünktlichkeit zehrt, der hat bislang an keiner norwegischen Konferenz teil genommen. Man wartet hier stets fünf Minuten VOR der Zeit, dass das Meeting endlich beginnt. Das impliziert vielleicht bei manchem Zeitgenossen den Eindruck, dass der Norweger im Job sehr unentspannt ist. Weit gefehlt. Der Norweger macht sich im Job locker und neigt im Privatleben zu Verklemmungen. Aber das ist eine ganz eigene Geschichte.

Faszinierend an dieser Lockerheit im Job ist aber, dass man durchaus den ein oder anderen Mitarbeiter mal nicht an seinem Arbeitsplatz antrifft, weil er zum Zahnarzt muss oder die Kinder vom Kindergarten abholt. Einfach so. Während der Arbeitszeit. Dafür scheut er sich aber nicht das ein oder andere für den Job nach Büroschluss von zu Hause zu erledigen. Sozusagen als Symbiose gegenseitiger Fürsorge.

Und noch eine Besonderheit gibt es in der norwegischen Businesswelt. Vielmehr bei deren Kundschaft. Der Norweger lebt seinen Patriotismus auch im Kaufverhalten aus. Produkte oder Dienstleistungen aus dem Ausland? Nein Danke! Lieber ein Anbieter vor der Haustür, denn da kann man die Referenzen nachprüfen. Ausnahmen werden gemacht bei Dienstleistungen und Produkten, die sonst in Norwegen nicht zu finden sind. Es gibt also Hoffnung! 😉

Folkelig oder königlich? Gleichheit über alles oder bin ich hier im falschen Toleranzfilm?

Als Deutsche in Norwegen ist man ja von Haus aus den Umgang mit königs erst mal nicht gewohnt und ich glaube nicht nur ich erinnere mich an die zauberhaften Nettigkeiten der europäischen Boulevard-Presse als 1999 Kronprinz Haakon bekannt gab eine Bürgerliche mit delikater Vorgeschichte zu daten und dann auch noch wenig später Heiratsabsichten bekundete. Und doch steht das Ganze bespielhaft für die gnadenlose Toleranz der Norweger, fast Allem und Jedem gegenüber. Was der Deutsche zuweilen in Perfektion beherrscht, nämlich darüber zu urteilen, aus welchem Stall man kommt, und sein Mißfallen darüber auch permanent gerne in der Öffentlichkeit kund tut, lässt den Norweger völlig kalt. Es würde auch nicht dem Prinzip der Norweger entsprechen, dass alle gleich sind.

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Da denke ich doch: nach dem Prinzip der Gleichheit konsequent, dass der Adel in Norwegen gänzlich abgeschafft wurde. Aber Moment, Halt, Stopp. Habe ich da was übersehen? Oder fällt das Königshaus nicht unter adelig? Witzigerweise ist Norwegen das einzige Land, das den Adel abgeschafft hat, aber dennoch einen König hat. Aber auch wenn die Königsfamilie nach wie vor adelig ist, setzt sie das Toleranz- und Gleichheitsprinzp sehr konsequent um. Mal abgesehen davon, dass aus Mangel an abgeschafften Prinzen, Grafen und Baronen potentielle Heiratskandidaten im eigenen Land Mangelware sind, hat das norwegische Königshaus das Heiraten von Bürgerlichen sehr schnell hoffähig gemacht. Folglich haben auch nur zwei königliche Generationen die Suche nach adeligen Heiratskandidaten im Ausland durchgehalten. Und während sich die deutsche Boulevardpresse 1999 das Maul über Mette-Marits unehelichen Sohn zerriss, nahm der Norweger an sich davon kaum Notiz, weil in Norwegen sowieso mehr als die Hälfte aller Kinder unehelich geboren wird. Was im übrigen Europa zum Skandal reicht, ringt dem Norweger kaum ein müdes Lächeln ab. Und sogar Öl- und Energieministerinnen dürfen während ihrer Amtszeit unehelich gebären, sich über den Vater ausschweigen und zudem während der Amtszeit noch ein halbes Jahr in Mutterschutz gehen. Ich stelle mir ein derartiges Szenario in Deutschland vor, zumal das Amt des Öl- und Energieministers in Norwegen nicht gerade zu den unwichtigsten zählt. Ich bin mir sicher, dass die Toleranz des Deutschen sicher keine Grenzen kennen würde.

Und nach dem Prinzip der Volksnähe ist Norwegens Königsfamilie auch so ziemlich die Einzige, die man sonntags beim segeln antrifft oder der man durchaus beim Shoppen in die Einkaufstüten schauen kann. Staatsbesuche im Winter verstehen sich von selbst im derben Anorak, der zwanglose Umgang der Königin mit ihrem unehelichen Stiefenkel ebenfalls. Für den Norweger kein Zeichen von Herabsetzen der Königswürde, sondern nur der Beweis, dass man auch bei königs nichts besonderes ist.

So sehr der Norweger das „folkelig“ sein der Königsfamilie liebt, so unerbittlich ist er dann doch, wenn sich nur der Hauch eines Anscheins von Geldverschwendung breit macht. So geschehen bei der Renovierung der königlichen Wohnung im Jahr 2006, bei der ein neuer zu luxuriöser Aufzug zum Stein des öffentlichen Anstoßes geriet, ebenso wie die unwesentliche Überschreitung des königlichen Budgets für die Schlossrenovierung um das Fünffache. Aber was macht ein norwegischer König in diesem Fall? Er öffnet einfach mal für die Öffentlichkeit die Palasttüren, lässt den Norweger, und nicht nur den, an der neu renovierten Pracht teilhaben und macht den königlichen Palast so kurzerhand zum – wenn auch eingeschränkt – nutzbaren Gemeinschaftseigentum. Bis heute. Und da sind wir dann doch wieder bei der Gleichheit, oder beim „Janteloven“ wie man in Norwegen und übrigem Skandinavien sagt. Obwohl die Landbevölkerung gerne davon spricht, dass die Hauptstädter schon gar nicht mehr wissen, was „Janteloven“ überhaupt bedeutet.

Doch das ist eine andere Geschichte. Und soll ein andermal erzählt werden.