Der 17. Mai – wenn Norwegen sich selbst feiert

Und schon wieder war es gestern so weit. Norwegens Nationalfeiertag stand an. Ich habe mir den Luxus gegönnt ihn gleich in zwei Städten zu feiern. Praktischerweise bin ich wieder mal jobmässig auf der Hurgtigrute unterwegs und das Schiff fährt mich bequem an der Küste entlang. So auch gestern. Nachdem ich letztes Jahr in Honningsvåg so ziemlich die einzige war, die fleißig die norwegische Flagge geschwenkt hat, hatte ich die vage Hoffnung, dass 2017 mehr Nationalfeiertag ist – zumindest da, wo ich mich aufhalte. Wenigstens kann ich so die Oslo-Sehnsucht klein halten, denn für gewöhnlich ist da die ganze Stadt auf den Beinen und man hat zuweilen das Gefühl, dass die norwegische Flagge an diesem Tag zum essentiellen Bekleidungsmodus gehört.

Doch von vorne. Bei uns auf dem Schiff waren jedenfalls die Frühaufsteher gefragt, denn bereits um 6:45 Uhr stand in Harstad der Chor Spalier, der uns mit frühmorgendlichem Gesangsprogramm beglückt hat. Zum Festtag haben alle ihre Tracht, die Bunad, rausgekramt. Dass wir feierlich Norwegens Flagge am Heck gehisst haben, versteht sich von selbst. Kurz durchschnaufen bis Finnsnes. Mittlerweile befinden wir uns mit dem Schiff ja 300km nördlich des Polarkreises und alle schielen natürlich auf den Wetterbericht. Der Norweger ist es gewohnt, dass am Tag, wo er sein Land feiert, eher  bescheidenes Wetter herrscht und er trägt es mit Fassung. Keiner lässt sich von niedrigen Temperaturen diktieren, eine Jacke über die Tracht zu ziehen. Man beißt die Wikingerzähne zusammen. Aber Finnsnes überrascht uns. Die Sonne hat sich überlegt ihre Strahlen zu uns zu lenken.

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Schon beim Anlegen Blaskapellenseligkeit, man könnte meinen das ganze Städtchen hat sich zusammen gerauft um unser Schiff willkommen zu heissen. Mit Schiffsbanner bewaffnet reihen wir uns ein in den Festumzug. Nicht nur viele von der Crew, auch der Großteil der Gäste genießt es durch Finnsnes zu ziehen, zumal den Straßenrand jubelnde Norweger säumen. Auch für mich ein ganz neues Erlebnis, denn in Oslo habe ich bis jetzt eher zu denen gehört, die ebenfalls am Straßenrand Fähnchen schwenkend „hipp hipp hurra“ rufen. Zwischenzeitlich ziehen wir Jacken und darunter befindliche Fleece-Oberteile aus, so warm ist es.  Schließlich sind wir in der Arktis und die ist ja bekannt für T-Shirt-Wetter. 😉 Ablegen um halb zwölf? Das wird heute nichts. Festtag geht vor Pünktlichkeit.

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Nach dem Umzug fahren wir mit halbstündiger Verspätung brav weiter Kurs Nord. Tromsø winkt und wir sind alle gespannt auf das Festtagstreiben hier. Den guten Draht zum Wettergott haben wir allerdings irgendwo auf der Fahrt verloren. Es regnet. Immerhin sind wir so wieder in der 17.-Mai-Wettervertrautheit. Auch hier steht eine Blaskapelle am Kai Spalier und spielt, was das Zeug hält. Den restlichen Platz haben die Tromsøer in Beschlag genommen, sie gieren nach dem Kuchenbuffet, dass bereits im Schiff wartet. An Deck heißt es bald: wegen Überfüllung geschlossen.

Wir hingegen hüpfen gleich in die Stadt, die heute ebenfalls zum bersten voll ist. Auf der Hauptstraße gibt es alles, was das Herz begehrt und viel Kalorien hat, aber wer wird am 17. Mai denn aufs Gewicht achten. Waffeln und Pølser locken an jeder Ecke und natürlich Eiscreme, die heute gefühlt tonnenweise geschleckt wird.

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Im Regen geht es dann auch los zum Kongsbakken. Aufstellen und so. Alle Gruppen sammeln sich hier und lassen sich während des Wartens schon mal nassregnen. Ich wünschte, ich wäre eine Tuba, dann hätte ich eine hübsche Regenhülle. Während ich noch überlege ab jetzt schlecht gelaunt zu sein, geht es auch schon los. Und da mich nach zwei Minuten gleich wieder der Festtagsmodus packt, sind nasse Haare und kalt dann doch ziemlich egal. Auch hier hat sich die ganze Stadt versammelt um dem Zug zuzuwinken. Vom Straßenrand und aus jedem geöffneten Fenster hört man „hurra“. In Tromsø machen wir dann auch die große Runde. Vorbei am Polaria, dem Aquarium der Stadt, wir passieren die Mack-Brauerei und biegen schließlich auf den Marktplatz ein,  auf die Eismeerkathedrale blickend, die am Ende der Tromsøbrücke thront. Ja, so geht 17. Mai.

Nach zwei Umzügen mit winken, rufen und feiern sind wir müde, aber glücklich. Fazit: in zwei Städten den Nationalfeiertag begehen, hat was. Aber auch wer nur in einer Stadt feiert, erlebt etwas besonderes. Ein Volk, das sein Land liebt und das mit Stolz zur Schau trägt. Gratulerer med dagen!

17. Mai – Norwegen im Ausnahmezustand oder ein Meer von Flaggen

Der Nationalfeiertag. Das Heiligtum des Norwegers. Und ja. Ich stimme zu! Wer einmal das Vergnügen hat den 17. Mai in Norwegen zu verbringen, bekommt gleich die Überdosis Nationalstolz. Wir in Oslo kosten das Spektakel so richtig aus, nicht nur, dass wir den Vorzug haben den König vom Balkon des Palastes winken zu sehen, nein: ich behaupte, dass auch die größte Anzahl an Nationalflaggen an diesem Tag in Oslo zur Schau getragen wird.

Copyright: insidenorway

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Wer um acht Uhr morgens am Verfassungstag unterwegs ist kann sich der Atmosphäre nicht entziehen, die über der Stadt und über ganz Norwegen schwebt. Überall wuselt es, jeder hat seine Tracht, die Bunad, hervorgeholt. Die Nationalfarben heften in Form einer Schleife an der Brust. Jeder hat sich fein gemacht. Wer nicht in Tracht aufmarschiert, schmeißt sich wenigstens in seinen besten Anzug. Die besten Plätze sind natürlich am Königspalast. Aber auch entlang der Karl Johans Gate, die sich ebenfalls in Nationaltracht in Form von Exzessivbeflaggung geworfen hat, hat man einen traumhaften Blick, denn man schaut von dort auf den gesamten Umzug bis hin zum Schloss.

Copyright: insidenorway

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Wen der Hunger plagt, der kauft Waffeln oder Hotdogs an den Ständen, die über Nacht wie Pilze aus dem Boden gewachsen sind. Jeder, der im heimischen Backofen das ein oder andere Stück Kuchen bereitet, verkauft es auf der Straße an naschwütige Zaungäste. Bis spät zum Abend ist alles auf den Beinen, vertanzt sich im Schlosspark, trinkt ein Glas in den zahllosen Restaurants, die sich ebenfalls ins Nationalgewand gekleidet haben. Auch Busse und Taxis folgen diesem Beispiel und tragen brav zwei Nationalflaggen. Wer nicht privat weiterfeiert genießt die Atmosphäre, die über Oslo liegt, genießt am Hafen den Blick auf seine Stadt oder schlendert durch Akerbrygge und Tjuvholmen.

Die Vielfalt der Bunads, Copyright: insidenorway

Die Vielfalt der Bunads, Copyright: insidenorway

Am 18. Mai ist jedoch alles schneller weggeräumt als man gucken kann. Ich frage mich jedes Mal, ob es irgendeinen Zauberspruch gibt, der die ganze städtische Deko in null komma nix wegzaubert. Wie es auch ist: der 17. Mai gehört zu meinen absoluten Top-Erlebnissen in Norwegen.

Also ausprobieren! Am 17. Mai! 2016! 🙂 ❤

Norsk sells oder der Norweger im Norwegenfieber!

Wer länger in Norwegen weilt stellt zweifelsohne ziemlich schnell fest, dass der Norweger nicht nur ein ausgesprochenes Faible für Produkte seines eigenen Landes hat, sondern auch noch allzu gerne an Abstimmungen teilnimmt, was denn das allernorwegischste an Norwegen ist. Radiosender starten in dieser Hinsicht gerne Umfragen zur Wahl des norwegischsten Norwegers, der norwegischsten Musik, dem norwegischsten Essen, dem norwegischsten Ding überhaupt. Als eingewanderter Ausländer neigt man zeitweilig dazu sein Wahrnehmungsvermögen der patriotischen Informationsflut zu entziehen, was aber so gut wie unmöglich ist denn der Norweger lebt die Liebe zu seinem Land konsequent. So schlägt er also bei Abstimmungen zur Benennung des allerallernorwegischsten beherzt Norwegerpulli und dazugehörige Handschuhe vor, den Käsehobel, den Wikinger an sich und Dinge, die nur der Norweger in seinem Herzen trägt. Die Hardangerfidel zum Beispiel.

Copyright: Nancy Bundt - Visitnorway.com

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DAS norwegische Instrument überhaupt, das untrennbar mit norwegischer Musik verbunden ist. Manch norwegischer Tanz kann nur auf ihr gespielt werden, weil sie über die gängigen Saiten hinaus noch über reine Resonanzsaiten verfügt und wer in Norwegen aufgewachsen ist, ist mit dieser Fidel eng verbunden.

Gewinner bei patriotischen Umfragen wird jedoch immer wieder der norwegischste aller Käse: der Geitost – Ziegenmolkenkäse. Ja diese Spezialität ist so eine Wissenschaft für sich. Eigentlich ist er gar kein Käse, sondern nur Käserei-Überbleibsel, nämlich Molke, die in Quader gepresst wird, nachdem sie stundenlang vor sich hin kochen durfte. Und braun ist er auch und deshalb heißt er auch Brunost, also Braunkäse. Und aus Ziege besteht er auch nicht durch und durch, es gibt Varianten mit verschiedenen Anteilen an Kuhmolke, Sahne, Kuh- und Ziegenmilch. Aber egal. Zum Frühstück gepaart mit Johannesbeermarmelade schmeckt er einfach großartig. Brunost ist so ziemlich mein erstes patriotisches Erlebnis, dass mir in Norwegen begegnet ist.

Copyright: Gaby Bohle - Visitnorway.com

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Böse Zungen behaupten ja immer wieder, dass Geitost in der Käsewelt nicht ernst zu nehmen ist, aber der Norweger hält standhaft daran fest. Und findet ihn quasi zu jeder Mahlzeit ideal.

Die norwegische Werbeindustrie schreibt dann auch in weiser Voraussicht gerne auf alles und jedes, was das norwegische Patriotenherz zum Kauf bewegt die Formulierung: „ein Stück Norwegen“! Das animiert den Norweger jederzeit die Kronen kauftechnisch sprudeln zu lassen. Nicht umsonst ist der größte Süßwarenhersteller des Landes nach der norwegischen Göttin Freya benannt. Welch eine Schmach, dass das Unternehmen mittlerweile an Kraft Foods verkauft wurde und dass Kong Haakon Konfekt jetzt in SCHWEDEN hergestellt wird, ein norwegischer Affront…. 😉 Auf den Kvikk Lunsj lässt der Norweger dann allerdings nichts kommen. Das sozusagen norwegische „Kitkat“ gehört zu den beliebtesten Süßigkeiten in Norwegen und ist für neun von zehn Norwegern mit den Eigenschaften „wandern“, „natur“, „sport“ und „fitness“ verbunden. Ein Geniestreich!

Bei Veranstaltungen verziert der Norweger gerne sein essentielles Stück Norwegen – sich selbst. Schon bei den Olympischen Spielen in Lillehammer 1994 trug der Norweger sein Gesicht als lebendige Nationalflagge zur Schau. Gefolgt von  Wikingerhelmen und Nationalflaggen in jeder nur erdenklichen Größe.

Nancy Bundt - Visitnorway.com

Nancy Bundt – Visitnorway.com

Allerdings dann kommt der Tag, an dem man jede Entgleisung legeren Patriotismus beiseite schiebt und in Würde seinen Staat feiert. Der 17. Mai! Nationalfeiertag, Tag der Verfassung und Grund für die Norweger in die Bunad, die Nationaltracht zu schlüpfen und dem König zuzuwinken. Die Nationalflagge an diesem Tag aufs Gesicht zu malen: tabu! Ohne nationales Abzeichen an der Kleidung auf die Straße zu gehen: tabu! Leises Fluchen am Abend des 16. Mai, weil die Bunad einen Hauch zu eng geworden ist: allgegenwärtig! Dafür sieht man dann am 17. so ziemlich alle 400 Varianten der Nationaltracht auf einen Haufen. Wo eine Nationalflagge angebracht werden kann wird sie angebracht. Alle Häuser, Straßenbahnen, Blumenläden sind ausgiebig beflaggt. Und „Guten Tag“ wird ausgetauscht mit „Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag“. Schließlich wird ja auch der Geburtstag der Nation gefeiert. Der Tag der Zukunft der Nation, der Tag der Kinder, Umzüge überall. Wer Gelegenheit hat teilzunehmen, sei es nur als Zuschauer am Rande, sollte es unbedingt tun. Wer Norwegen liebt bewahrt diesen Tag als Erlebnis in seinem Herzen.

Copyright: Nancy Bundt - Visitnorway.com

Copyright: Nancy Bundt – Visitnorway.com

Die Königsfamilie winkt drei Stunden tapfer dem Volk zu, es gibt Eis und Limonade bis zum Abwinken, Schulklassen ziehen die Karl Johans Gate bis zum Schloss, Norwegen ist in diesem Tag im Nationaltaumel. Und wo auch immer auf der Welt mehr als zwei Norweger leben tun sie sich am 17. Mai zusammen. Und feiern! Und leben ihren Patriotismus! Und verblüffen ihr Gastvolk! Heya Norge! 🙂