Das Argument „In der Stadt gibt es ja keine Natur“ kann man in Oslo getrost vergessen. Die Hauptstadt überzeugt einen einfach mal so eines Besseren. Einer meiner Lieblingsorte der Stadt ist ja der Fluss Akerselva. Vor allem Sonntag morgens. Der Fluß animiert mich regelmäßig am Wochenende früh aus den Federn zu springen, die Kamera zu zücken und meine Kondition mit einem Fußmarsch zu verbessern. Besonders jetzt im Herbst wenn die Blätter beginnen zu leuchten.
Also auf zum Maridalsvannet, dem größten See Oslos, der an sich schon einen ausführlichen Spaziergang wert und Ausgangspunkt der Wanderung ist. Aber diesmal will ich kein See-Feeling, sondern mich an der Schönheit der Flussnatur laben, vor allem weil ich weiß, dass auf halber Strecke die köstlichsten Waffeln der Stadt winken. Marschiert man durch, braucht man für die Wanderung ca. zwei Stunden, aber das wird der zauberhaften Strecke nicht gerecht. Und diesmal schon gar nicht, da nach regenreichen Tagen die Wasserfälle entlang der Flussstrecke zu imposantem Getöse anschwellen und man in Form von Gischt auch noch die Sonntagmorgendusche ersetzen kann. 😉 Also Zeit einplanen.
Ich starte somit am See und habe nach kurzer Zeit vergessen, dass ich mich überhaupt in einer Stadt befinde. Das Laub leuchtet schon zartgelb, die Daddys schieben stolz ihren Nachwuchs an der Strecke entlang, die Jogger schwingen sich auf zum Frühsport und ich genieße den idyllischen Anblick zusammen mit der Aussicht auf Enten, Äste, die sich tief über den Fluß neigen und die frühherbstliche Morgensonne, die sich ihren Weg durchs Geäst sucht. Deshalb muss ich auch so ungefähr auf jeder zweiten Parkbank mit meinem Coffee to go innehalten und einfach nur die Seele baumeln lassen.
Und bald schon kommt das Getöse näher. Es ist ja auch unüberhörbar, auch wenn der obere Wasserfall noch der kleinste ist, macht er Krach für zehn. Zwischendurch überquert man den Fluss immer wieder mal und direkt über den Wassermassen stehend gibt man sich fasziniert der Naturgewalt des Wassers hin. Auch die Brücken sind übrigens zauberhaft, aus Holz, mit weißlackierter Aufhängungskonstruktion. Idyllisch. Und natürlich befinden sich an einer auch zahlreiche Liebesschlösser. Romantisch.
Ja und wie ich schon sagte, kommt man nach halber Strecke an Hønse-Lovisas hus vorbei, einem der zauberhaftesten Orte von Oslo wie ich finde. Benannt nach einer literarischen Figur und 1800 gebaut, schmiegt sich das Häuschen mit seinem roten Anstrich an den großen Wasserfall. Zeit für eine Einkehr. Es duftet herrlich nach frischen Waffeln, die mit Rahm und Konfitüre serviert werden. Wenn das Wetter gut ist, sitzt man gleich am Wasser in dem winzigen Garten, mehr Wohlbefinden geht nicht. Gleich gegenüber liegen alte Industriehäuser, die zu Wohnungen umgebaut wurden und mit ihrem Charme jeden entzücken.
Nachdem ich mir die Waffeln mit einem Kaffee habe schmecken lassen geht es weiter. Der Fluss ist ja noch lange nicht zu Ende. Und ab jetzt bestimmen die alten Industriegebäude auch die Uferlandschaft. Schließlich ist der Fluss ja auch die Wiege der Industrialisierung in der Hauptstadt. Oslo hat hier jedoch eine perfekte Symbiose geschaffen und die Bauten einfach zu Cafés, Galerien, Künstlerherbergen und Kultureinrichtungen umfunktioniert. Das Ergebnis: der Akerselva kommt auf diesem Abschnitt herrlich bunt daher, Backsteinfronten wechseln ab mit Graffiti-Häuserfronten, die selbst bei trübem Wetter ein Leuchten in den Tag bringen. Zwischendurch sollte man unbedingt links und rechts in die Gassen schauen, denn auch hier tun sich zuweilen entzückende Hinterhöfe auf.
Als ich im Stadtteil Grünerløkka angekommen bin gehe ich wieder an „Deck“, sprich hinauf in den Stadttrubel. Und das ist wirklich so, denn einige Streckenabschnitte sind tiefer gelegen, so dass man förmlich in die Natur „abtaucht“. Deshalb sind nach starken Regenfällen auch manche Uferregionen überflutet.
Für dieses mal ist die Wanderung also beendet. Bis zum nächsten Walk am Naturstar von Oslo. 🙂 ❤