Die Hauptstadt war schon lange nicht mehr dran oder: auf Herbstfototour in Oslo

Seit ich als Reiseleiterin ständig in ganz Norwegen unterwegs bin, sind meine fotografischen Abenteuer in der Hauptstadt etwas eingerostet. Nein, so geht das nicht weiter. Zehn Tage tourfrei kommen da geradezu gelegen um fotografisch Neues auszuprobieren. Und Oslo hat sich sogar überlegt mit gutem Wetter zu glänzen. Für gewöhnlich bin ich auf Regen abonniert, wenn ich denn mal zu ausgedehnten Fototouren starten will. Diesmal nicht. Erste Station: Bygdøy. Die Museumshalbinsel ist für mich ja einer der Spazierganghotspots der Stadt und das Fotografenherz schlägt hier höher. Wenn man sich auf den Weg zur kleinen Bucht Huk macht, gerät man schon in Entzücken, wenn man am idyllischen Privatstrand vorbei kommt, wo die Boote verschlafen am Steg liegen. Ausserdem leuchten hier jetzt die Bäume in allen Herbstfarben. Das beste Licht gibt es in der goldenen Stunde, also kurz nach Sonnenaufgang und kurz vor Sonnenuntergang. Das Sternchen steht dann tief am Himmel, die Schatten sind weich und „goldene Stunde“ kann man hier wörtlich nehmen. Ein optisches Fest. Ich will mich diesmal an Langzeitbelichtungen versuchen, das wollte ich schon lange ausprobieren. Dazu setzt man der Kamera quasi eine Sonnenbrille auf, die den Sensor so weit abdunkelt, dass man problemlos auf Belichtungszeiten von mehreren Minuten kommt. Der Effekt: jedes Wasser wirkt wie glatt gezogen, das Idyllbarometer steht auf höchster Stufe.

Huk, Copyright: insidenorway

Scheinbar ist hier heute Fotografentreff. Ich bin ja eher gewöhnt, dass man etwas komisch angeschaut wird, wenn man tagsüber mit Stativ unterwegs ist. Ja, aber aus der Hand ist bei Langzeitbelichtungen nichts drin. Auch über meinen Fernauslöser bin ich extrem dankbar, denn schon beim Drücken des Auslösers lässt sich eine Aufnahme herrlich verwackeln und man erfreut sich nach einigen Minuten Wartezeit – belichten, rechnen – an einer misslungenen Aufnahme. Nein, das hebt die Laune nicht. Ausserdem kann man mit extrem langen Belichtungszeiten die anderen Spaziergänger wegzaubern, gerade bei Aufnahmen in der Natur empfinde ich das als willkommene Nebenwirkung. Und das liegt einfach daran, dass ein sich bewegendes Objekt sich zu kurz an einem Punkt befindet, damit der Kamerasensor es wahr nimmt. Funktioniert übrigens auch auf grossen Plätzen mitten in der Stadt, die man so einfach leer fegen kann. Sehr praktisch.

Auch am Strand mache ich den Versuch einer Langzeitbelichtung. Eigentlich steht die Sonne dafür zu frontal, aber heute herrscht so herrliche Ebbe, dass die Steine, die sich am Ufer im Wasser tummeln, so entzückend vom Fjordwasser umspült werden. Und probieren geht ja bekanntlich über studieren. Ein paar Norweger haben sich mit Einweggrill am Strand eingerichtet und wahrscheinlich fragen sie sich, was das denn werden soll, als ich mein Stativ aufbaue. Noch ein Vorteil von Langzeitbelichtungen. Man verlässt den Ich-knipse-mal-schnell-Modus und muss sich viel genauer überlegen, was denn jetzt aufs Bild kommen soll. Damit wird auch deutlich, dass es für jeden, der sich nicht für Fotografie interessiert, die Hölle ist, unbeteiligt daneben zu stehen. Wenn man an der Kamera hantiert und alles einrichtet, wundere ich mich immer wie schnell ein paar Stunden drauf gehen, bis man ein paar verschiedene Aufnahmen im Kasten hat. Dafür kann man aber auch nach der Fotoorgie mit aussergewöhnlichen Aufnahmen aufwarten.

Huk, Copyright: insidenorway

Nächste Station Innenstadt. Diesmal ist Tjuvholmen dran. Bekanntlich gibt es ja auch dort genügend Wasser, das den Stadtteil umfliesst. Nach einer guten Aufnahmeposition muss ich etwas suchen. Schliesslich braucht man ja für ein gutes Bild einen passablen Vordergrund um so etwas wie Bildgestaltung zu vollziehen. Ja, da muss man sich schon auf die Steine bemühen, die da vor dem Astrup-Fearnley-Museum herumliegen. Beim Einrichten sehe ich schon die Kamera im Fjord liegen und die Passanten finden es auch belustigend, wie ich da auf den Steinen herumkrieche. Irgendwie befindet man sich bei der Motivgestaltung immer in Bodennähe. Jetzt im Herbst ist eine kleine Isoliermatte extrem hilfreich, wenn man nicht auf den kalten Steinen sitzen oder gefühlt stundenlang in Hockposition verbringen will.

Astrup Fearnley Museum, Copyright: insidenorway

Wo ich einmal dabei bin, will ich auch den Blick auf den Oslofjord als Langzeitbelichtung festhalten. Aber das wird heute nix, da der Bootsteg, den ich mir als  Standort ausgesucht habe, so in Schaukellaune ist, dass kein einziges wirklich scharfes Bild hinzubekommen ist. Pech. Ich versuche mein Glück an der nächsten Station, dem herrlichen Wasserfall am Akerselva, Oslos Stadtfluss. Hier ist immerhin alles fest auf der Erde befestigt, so dass schaukelnde Boote oder Stege hier eher weniger ins Gewicht fallen. An Wasserfällen ist der Langzeitbelichtungseffekt besonders schön, weil das Wasser so weich fliessend erscheint, dass es fast schon wie ein Gemälde wirkt. Da die Gischt heute besonders weit spritzt, ist es gar nicht so einfach, eine Aufnahmeposition zu finden, in der nicht in zwei Sekunden das Objektiv einen hübschen Wasserschleier hat. Aber wer suchet, der findet. Der extrem kalte Wind heute wiegt die Blätter der Bäume hin und her, nicht optimal. Ausserdem verbraucht man in fünf Minuten zehn Packungen Taschentücher, weil die Nase ununterbrochen läuft. Aber zu schön ist der Anblick der Wassermassen, die sich in die Tiefe hinab stürzen. Nach zwei Stunden bin ich dann aber doch durchgefroren und sehne mich nach einem heissen Tee.

Akerselva, Mølleparken, Copyright: insidenorway

Fazit: Ich finde es lohnt sich absolut, Langzeitbelichtungen einmal auszuprobieren. Es bringt eine Menge Spass und schärft den fotografischen Blick. Also ran an die Kamera und ausprobieren! 🙂

 

2 Gedanken zu “Die Hauptstadt war schon lange nicht mehr dran oder: auf Herbstfototour in Oslo

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